Der Hinterschaft mit leichtem Schweinsrücken und kantiger, bayerischer Doppelfalzbacke ist zum Schuss übers Zielfernrohr ausgelegt. Der schlanke Pistolengriff mit leichter Verdickung an der rechten Seite ist so schlank, dass er auch in zierliche Damenhände passt. Das Pistolengriffkäppchen besteht aus Edelholz.

 

Durch das gekürzte Magazin und den flach bauenden Abzug hat die Kessler keinen „Bauch“ und bleibt auch im Magazinbereich schnittig. Um den Übergang vom filigranen Pistolengriff in den wesentlich breiteren Systembereich optisch gut zu überbrücken, verdickt sich der Schaft mit formschönen Backen an der hinteren Hülsenbrücke – eine früher recht häufige Gestaltung, die man heute nur noch selten findet.

 

Der Vorderschaft besteht gerade aus so viel Holz, wie unbedingt nötig und verjüngt sich stark bis zur angesetzten Tropfnase aus dunklem Edelholz. Pistolengriff und Vorderschaft sind mit scharfer Fischhaut verschnitten, die für besten Halt sorgt. Trotz der schlanken Schäftung liegt die Kesslerin sehr gut im Anschlag und auch „ausgewachsene Mannsbilder“ können mit der zierlichen Büchse gut und sicher umgehen.

 

Das gesamte Systembett und auch das Laufbett bis kurz hinter der zweiten Stufe sind mit Kunstharz ausgegossen. Hinten ist eine Pilarbettung angebracht; bei der vorderen Systemschraube sitzt der Gewindestollen durch die dort sehr schlanke Schäftung fast direkt auf dem Abzugsblech.

 

Eine Querstollenverschraubung mit hübsch gravierten und grau gebeizten Deckschrauben sorgt für eine günstigere Übertragung der Rückstoßkräfte.

Die schlanke Büchse mit Magazin für drei Patronen wurde ein Erfolg, und viele Bergjäger kamen nach Deggendorf, um sich eine Kesslerin bauen zu lassen. Große Stückzahlen konnte Roland Kessler von dieser in reiner Handarbeit entstehenden Büchse allerdings nicht herstellen, zumal das Überarbeiten der 98er-Militärsysteme sehr aufwendig ist. Wer so eine individuelle Waffe haben will, nimmt aber auch gern Wartezeiten in Kauf.

 

Nichts ist aber so gut, dass es nicht noch verbessert werden kann. Als die wirklich guten Militärsysteme knapp wurden, dachte Roland Kessler darüber nach, sein Baby zu modernisieren – und so entstand die „neue Kesslerin“.

 

Die neue Kesslerin

 

Das neue Kessler-System ist technisch ein originalgetreuer Nachbau des bewährten 98er-Mauser- Systems, nur wurden dazu die Dimensionen von vornherein erheblich verringert. In zwei Jahren Entwicklungszeit verpasste Roland Kessler in Zusammenarbeit mit einem CNC-Fertigungsbetrieb dem alten Mausersystem neuen Dimensionen.

 

Bei einer Neufertigung konnten natürlich auch gleich für Jagdbüchsen unerwünschte Elemente des alten Militärsystems eliminiert werden – so gibt es natürlich kein Daumenloch und die Hülsenbrücken wurden als Double-Square-Bridge aus dem vollen Material herausgearbeitet. Das ermöglicht sehr elegante Zielfernrohrmontagen – das 14-mm- Prismenstück zur Hinterfußverriegelung fräst Kessler direkt aus der hinteren Hülsenbrücke, und der Drehring für den Vorderfuß wird einfach von oben in die vordere Brücke eingelassen und verschraubt. So muss nichts aufgelötet werden, alles wirkt wie aus einem Guss.

 

Der lange Mauserauszieher und der Hülsenauswerfer in der hinteren Hülsenbrücke sind wie beim Original, auch der Kammerhalter sitzt an gewohnter Stelle. Im Verhältnis zum zierlichen Verschluss fällt er recht lang aus, was aber für eine sichere Handhabung erforderlich ist. Die 21,5 mm dicke Kammerkugel liegt satt in der Hand.

 

Das flache Schlösschen ist mit einer horizontal arbeitenden Dreistellungssicherung mit Verriegelung ausgestattet. Um den Sicherungsflügel aus der hintersten Position zu bewegen, muss erst die Drucktaste seitlich am Schlösschen betätigt werden – so wird unbeabsichtigtes Entsichern (bekannte Schwachstelle vieler horizontal arbeitender 98er-Sicherungen) sicher vermieden. Das System läuft seidenweich und lässt sich fließend repetieren – gegenüber alten Militärsystemen eine spürbare Verbesserung. Auch der Abzug wurde noch einmal verbessert und löst jetzt schon bei 500 bis 600 g aus. Die Läufe der 2. Generation stammen von Lothar Walther und werden dort nach speziellen Vorgaben von Roland Kessler gefertigt. Durch die Neufertigung des 98er-Systems sind jetzt auch Linkswaffen möglich.

 

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